BELLETRISTIK
Barbi Marković: Minihorror (Residenz Verlag)
Über das Buch
Mit dem Paar Mini und Miki tauchen wir ein in den alltäglichen Horror des städtischen Lebens. Die beiden sind nicht von hier, bemühen sich dazuzugehören und alles richtig zu machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – werden sie verfolgt von Gefahren und Monstern, von Katastrophen und allerlei Schwierigkeiten… Tragikomisch und abgründig sind die Geschichten, die die beiden erleben. Barbi Markovićs Prosa besticht durch ihren ironischen Unterton, der nicht nur hinter die Fassaden blicken lässt, sondern auch die Zerbrechlichkeit ihrer Figuren entlarvt. Das sorgt für reichlich wahnwitzige Überraschungsmomente, in denen die sogenannte Wirklichkeit häufig ins surreal Phantastische kippt.
Zur Begründung der Jury
Barbi Marković erzählt stilsicher und mit bewussten Stilbrüchen einen Comic in Prosa. Der Horror der 26 Geschichten um das Paar Mini und Miki lauert im Alltag. Es geht um Missgeschicke, Beleidigungen, Verwandtschaftsfehden, Möbelkäufe und Ungeziefer – komisch, vertraut und unheimlich. Ironie verschärft sich hier zu Satire, Humor dreht sich in Sarkasmus und die Perspektive macht kleine Wesen groß. Der vergessene Krieg der 90er-Jahre mitten in Europa und seine Folgen bilden den dunklen Untergrund.
Über die Autorin
Barbi Marković, geboren 1980 in Belgrad, studierte Germanistik und arbeitete zunächst als Lektorin. 2009 erhielt Marković viel Beachtung für »Ausgehen« (Suhrkamp), eine Übertragung der Thomas-Bernhard-Erzählung »Gehen« in die Belgrader Clubszene. 2011/2012 war sie Stadtschreiberin von Graz. 2016 erschien der Roman »Superheldinnen« beim Residenz Verlag, für den sie den Literaturpreis Alpha, den Förderpreis des Adelbert-von-Chamisso-Preises sowie 2019 den Priessnitz-Preis erhielt. 2017 las Barbi Marković beim Bachmann-Preis. Es folgten zahlreiche Kurzgeschichten, Theaterstücke und Hörspiele. 2023 erhielt Barbi Marković den Kunstpreis Berlin für Literatur.
Leseprobe
Mini stellt sich sonst immer der niederschmetternden Ambivalenz des Lebens, sie zieht sich vor dem Absurden nicht zurück, sie nimmt keine Schmerzmittel, glaubt nicht an Gott und backt keine Kekse, obwohl sie Angst hat wie alle anderen auch. Doch dieses Jahr war in vieler Hinsicht anders. Wegen der Pandemie sind Urlaube und Konferenzen ausgefallen. Menschen haben sich anpassen müssen. Miki und Mini besuchen Mikis Eltern in einer österreichischen Kleinstadt, wo zur Zeit ihrer Ankunft schon Schnee auf den Dächern liegt. Der Vorweihnachtsmarkt ist voll.
»Alles duftet«, sagt eine begeisterte Person am Glühweinstand.
Tatsächlich riecht Mini übertriebene Mengen an Zimt in allen Produkten.
»Mini, des passt guat, des isch fein«, sagt Miki, um seiner Freundin die lokale Sprechweise zu demonstrieren.
»Guat«, versucht Mini. »Guat, guat, guat, guat, guat«
Sie muss noch viel üben, bis das richtig rüberkommt.