SACHBUCH/ESSAYISTIK
Christina Clemm: Gegen Frauenhass (Hanser Berlin)
Über das Buch
Lisa und Mirko lernen sich während des Studiums kennen und verlieben sich. Die Beziehung scheint perfekt, sie ziehen zusammen und gründen eine Familie. Doch die Idylle trügt. Mirkos Wutausbrüche häufen sich zunehmend. Lisa findet sich in einer Gewaltspirale wieder, aus der sie trotz verzweifelter Fluchtversuche keinen Ausweg findet.
Die Strafverteidigerin Christina Clemm hat hunderte solcher Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt vertreten. In „Gegen Frauenhass“ zeigt sie den systemischen, oft tödlichen Hass auf Frauen und die weitreichenden Folgen der patriarchalen Gewalt. Sie geht der Frage nach, warum keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, obwohl Frauen oft auch in der Öffentlichkeit Gewalt erfahren, und präsentiert zwingend notwendige Lösungsansätze.
Zur Begründung der Jury
Christina Clemm, Fachanwältin für Straf- und Familienrecht, untersucht Gewaltdelikte gegen Frauen und ihre juristische Verfolgung. Anhand prägnanter Fallbeispiele weist sie die Unzulänglichkeiten des Justizsystems nach und zeigt, wie wenig die Gesellschaft auf Täterstrategien eingestellt ist. Ein im Wortsinn aufregender Bericht aus der juristischen Praxis, ein aufrüttelndes Plädoyer gegen die Bagatellisierung von sexualisierter Gewalt und auch eine dialektische Verteidigung des Rechtsstaates.
Über die Autorin
Christina Clemm, geboren 1967, ist Rechtsanwältin für Straf- und Familienrecht in Berlin. Seit fast dreißig Jahren vertritt sie Opfer geschlechtsspezifischer und rassistisch motivierter Gewalt. Von 2015 bis 2017 war Clemm Mitglied der Expert:innenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts beim damaligen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Im NSU-Verfahren war sie Teil der Nebenklage. Zuletzt erschien von Christina Clemm das Buch »Akteneinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt« (Antje Kunstmann, 2020).
Leseprobe
Patriarchale Gewalt durchdringt das Leben von Frauen so allumfassend, dass es schwer ist, sie überhaupt als solche zu begreifen, geschweige denn sie zu bekämpfen. Sie trifft Frauen in der Sprache, im Netz, im Beruf, in der Familienplanung und der Altersversorgung. Sie ist gewöhnlich und subtil, hinterlässt nicht immer sichtbare Narben, aber doch eindeutige Spuren – Stress ist die Realität des Frauseins im patriarchalen Alltag.
Ich beschäftige mich als Rechtsanwältin mit sexistischem Verhalten, das so explizit zu Verletzungen führt, dass es mit der Ultima Ratio des Strafrechts geahndet werden kann. Sexismus beginnt aber viel früher, als er je in den Bereich der Justiziabilität gelangt. Verwundungen entstehen nicht erst bei Gesichtsfrakturen oder Morddrohungen, sondern überall dort, wo Frauen und non-binäre Personen aufgrund ihres Geschlechts schlechter behandelt oder diskreditiert werden.